Händel: Messiah

Ein „Messiah“ voller Spannung und Glanz in der Wohltorfer Kirche

1741 komponierte Georg Friedrich Händel in nur gut drei Wochen sein berühmtestes Werk, den dreiteiligen „Messiah“, für das englische Königshaus und brachte ihn 1742 in Dublin (D-Dur ist übrigens auch die meistverwendete Tonart der irischen Folklore) mit großem Erfolg zur Uraufführung . Darin wird der Weg des Erlösers Jesus Christus beschrieben: von seiner Ankündigung, seiner Geburt, seinem Sterben und Auferstehen bis hin zu seiner Wiederkunft und unserer eigenen Auferstehung. „The Sacred Oratorio“, wie die Zeitgenossen es nannten, verbindet Elemente des englischen Anthems, des italienischen Oratoriums sowie der deutschen Passionsmusik. Bereits zu Händels Lebzeiten gehörte der „Messiah“ zu den meistgespielten Werken des Komponisten und erlangte geradezu Kultstatus. Den Erlös des "Messias" spendete Händel regelmäßig für Waisenkinder und Arme. 1751 erblindete Händel. 1759 auf seinem Sterbebett ließ er sich Psalmen und Trostworte aus der Bibel vorlesen. Seine letzten Worte waren das von ihm im "Messias, Teil III" vertonte Bibelwort "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt" („I know that my redeemer liveth“).

Die Wohltorfer Kantorin Andrea Wiese folgte mit der Aufführung des Oratoriums in englischer Sprache zum 1. Advent britischen Traditionen, wohl auch, um die typischen Merkmale des „Messiah“ besonders deutlich werden zu lassen: kein anglikanisches Eifern, kein reformatorisches Ringen und schon gar keine katholische Katharsis. Die von Charles Jenners zusammengestellten Zitate mühen sich fast um so etwas wie Objektivität und werden getragen durch die Musik von Händel in unverkennbar besonderer Weise. Mit seinen ureigenen, so ausgewogen definierten, das italienische Oratorio wirkungsvoll weiterentwickelnden musikalischen Wesenszügen. Mit seinen elegant-strengen Instrumentalpassagen. Mit melodisch ausschwingenden, mal dramatischen, mal ruhevollen Arien und Ensemblesätzen. Und natürlich mit den vielgestaltig als Kommentare eingesetzten Chören – eine Herausforderung für jede Kantorei.

Dies alles spannungsvoll darzustellen gelang der Kantorei Wohltorf, den vier Gesangssolisten und dem Sächsischen Barockorchester unter der Leitung von Andrea Wiese ganz hervorragend. Der Chor agierte immer transparent, mal mit Leichtigkeit in den einzelnen Chorstimmen, dann wieder vereinigt zu kraftvoller Deklamation oder wieder in ein Fugato zerstreut (z. B. in „For unto us a child is born“ oder „All we like sheep“). Höhepunkt sicherlich der Jubelchor „Hallelujah“, der in England oft im Stehen angehört wird, aber auch die Lobpreisung „Worthy is he lamb“ mit der abschließenden „Amen“-Fuge.

Neben Steigerung und Kontrast als fortlaufend musikalische Mittel sind die Solisten durch zusätzliche Affektwechsel eingebunden: z. B. qualvolle Passionsdarstellungen, durch Henning Kaiser (Tenor) sehr gefühlvoll mit klarer Diktion gesungen. Olivia Stahn (Sopran) sang mit silbrig glänzender Stimme mal in ausgreifenden Linien und ruhigem Fluss hingebungsvoll innig ("I know that my redeemer liveth“), oder ausdrucksstark mit scharfen Koloraturen ("Rejoice greatly"). Katharina Thimm (Alt) brachte mit ihrer in allen Registern ausgeglichenen reifen Stimme die ihr zugedachten Elemente wunderbar zum Leuchten und löste Ergriffenheit aus („ He was despised“). Die Basspartie war mit Gotthold Schwarz hervorragend besetzt (nach vielen Jahren wieder in Wohltorf zu hören), seine Interpretationen waren wandlungsfähig, eindringlich, virtuos in den Koloraturen und wenn nötig kraftvoll („The trumpet shall sound“). Für zweieinhalb Stunden Spannung sorgte auch das Sächsische Barockorchester durch seine immer einfühlsame Art und seinen mal leichten mal strahlenden Klang.

Das Publikum dankte allen Beteiligten für die nachhaltige Aufführung nach einem kurzen Moment der Stille mit stürmischem Applaus.

R. Nerlich