Kammerton W - 4. Teil

Kammerton W - 4. Teil

Die Jugendkantorei

Die Jugendkantorei ist donnerstags meine letzte Probe. Aber wie heißt es schon in der Bibel: „Die Letzten werden die Ersten sein“. Oder, etwas profaner: „Das Beste kommt immer zum Schluss“. In diesem Fall trifft das ganz eindeutig zu! Ob es an der langen Verbundenheit der Jugendlichen untereinander und zu mir liegt? Schließlich singen die meisten schon fast oder über zehn Jahre hier in Wohltorf zusammen. Also aus jugendlicher Perspektive eigentlich „schon immer“. Nele (17): „Ich habe mit vier Jahren angefangen, im Chor zu singen. Das sind jetzt fast vierzehn Jahre.“ Aber auch „Quereinsteiger“ wie Antonia (13) werden „sehr freundlich aufgenommen“ und sind nach kurzer Zeit in die Gruppe integriert. Jedenfalls staune ich immer wieder aufs Neue, mit welcher Selbstverständlichkeit die Jugendlichen auch die schwersten Stücke „wegputzen“. Wenn ich dies Staunen zuweilen enthusiastisch äußere, sehen mich die Jukas fast ein bisschen vorwurfsvoll an: Ist doch normal… Aber Lob freut einen ja doch. Auch mich, als ein von mir geschätzter Kollege einen Probenmitschnitt eines Jukakonzertes per Whatsapp versandte und kommentiere: „Die sind wirklich gut“.

Um 19 Uhr treffen die Mädchen und Jungs, z.T. direkt nach zwei Stunden Konfi-Unterricht, bei mir im Probenraum in der Kirche ein. Die Frage, wer „oben“ sitzen darf, stellt sich schon lange nicht mehr. Ohnehin hat inzwischen jeder seinen Stammplatz. Der Übergang vom Schnacken zum konzentrierten Proben fällt nicht schwer. Dafür sind wir ja hier. Singen, singen, singen. Witze werden natürlich gemacht, Würze des Lebens. Aber sie laufen nicht aus dem Ruder, alles ganz entspannt. Frerik (17) erinnert sich: „Ich fand es dort immer mit den ganzen Leuten witzig. Tolle Gemeinschaft. Frau Wiese gehörte da immer zur Gruppe dazu und war nicht nur ein Lehrer.“

Was wir so singen? Zum Beispiel www.worldwideweihnachten - mehrstimmige internationale Weihnachtslieder, mit denen wir auch schon mal in den Michel nach Hamburg gebeten werden. Koreanisch? Warum nicht? Ganz alt? Ganz modern? Immer her damit! Und regelmäßig auch die große Literatur der Kirchenmusik: Die Oratorien von Haydn, Bernstein, Bach, viel Bach! Quer durch die Jahrhunderte, gemeinsam mit der Kantorei. Auch das ist musikalische Bildung, generationsverbindend und zugleich ein fürs Leben erworbenes Gut. Emily (17) ist seit 12 Jahren beim Chor… „weil das Miteinander etwas ganz Besonderes ist. Egal, wie unterschiedlich die Menschen sind, egal ob jung oder alt, beim Chor verbindet uns alle die Leidenschaft zum Singen. Mit dem Chor verbinde ich auch Freundschaften. Man lernt immer neue Leute kennen und kann sich über gleiche Interessen austauschen.“ Die Freude, Teil eines Ganzen zu sein, spricht auch aus den Worten von Anna (19): „Ich kann mich genau erinnern, wie wahnsinnig toll ich es fand, als unsere erprobten Stimmen zusammengesetzt wurden und zu einem wunderschönen Stück wurden. Ich hatte das Gefühl, Teil von etwas unglaublich Tollem zu sein.“

Die Erinnerungen an die Zeit in der Kinder- und Jugendkantorei tragen manche Früchte. Sicher werden die meisten noch oder irgendwann wieder in einem Chor singen, wenn sie längst aus Wohltorf weggezogen sind. Eine Mutter berichtet: „Ich habe nun drei Kinder bei Andrea Wiese im Chor gehabt. Unser Jüngster ist noch aktiv. Die Älteren sind bereits nicht mehr zu Hause und das größte Problem, aus Hamburg wegzugehen, war nicht die fehlende Familie, sondern, dass sie nicht mehr zum Chor gehen können.“ Einige machen sogar die Musik, oder auch die Theologie, zu ihrem Beruf. Für das erste September-Wochenende hatte ich die älteren Jahrgänge der ehemaligen Juka-Sänger zu einem großen Treffen eingeladen. Zum „in-Erinnerungen-Schwelgen“ und zum Berichten, wohin die Wege geführt haben und, natürlich, zum Singen im großen Chor aus Aktiven und Ehemaligen. So war der Plan… und dann kam Corona…

Neulich im Radio hörte ich, der Donnerstagabend sei „das kleine Wochenende“, ein Moment der Entspannung in Aussicht auf das bald eintreffende Wochenende. So fühlt es sich auch bei und nach der Juka-Probe an. Wer jetzt noch dabei ist, liebt es zu singen. So wie Marten (13): „Man lernt dort viel über Musik, Singen bringt einfach Spaß und ich liebe die Auftritte!“ Louisa (13): „Singen ist meine Leidenschaft! Im Chor erlebe ich Gemeinschaft und Zusammenhalt.“ Und Emma (14): „Der Chor ist für mich etwas ganz Besonderes, wo ich meine ganze Wut, Trauer oder Freude, die sich über den Tag gesammelt hat, heraussingen kann.“

Auch das trägt die Proben. Das verbindet uns. Fröhlich trällernd, manchmal auch schmetternd, verlassen alle den Probenraum in der Wohltorfer Kirche. Bis zur nächsten Woche…!