Kammerton W - 2. Teil

Kammerton W - 2. Teil

Die Kinderkantorei

Wenn die Zwika-Kinder (Wohltorfer Chorkinder im Alter von 4-6 Jahren, vorgestellt im vorausgehenden Artikel) in die Schule kommen, beginnt auch im Chorleben ein neuer Abschnitt: Sie steigen in die Kinderkantorei auf, die „Kika“. Damit erhalten sie zwei Insignien: den roten Chorpulli, und – allerdings erst als 2. Klässler – die eigene Chormappe, die bei Auftritten in Gottesdienst und Konzerten mit Noten befüllt wird und in die, was noch viel wichtiger ist, nach dem Auftritt als Trophäe ein Sticker geklebt wird. Jedem Auftritt ist ein anderer Sticker zugeordnet, so kann man hinterher vergleichen, wer welchen hat oder eben nicht hat und wer die meisten einheimsen konnte.

Da die meisten Kika-Kinder nun mit zunehmendem Alter auch alleine zum Chor kommen und manchmal auch etwas früher eintreffen, hat sich schon seit Beginn meiner Amtszeit hier in Wohltorf eine schöne Gepflogenheit ergeben: Auf den Tischen im Probenraum steht immer eine große Kiste mit Stiften und Papier bereit, so dass viele Kinder sich gerne die Wartezeit damit vertreiben, ein Bild zu malen. Besonders schöne Exemplare werden an die riesige Pinnwand im Probenraum gehängt, die inzwischen voll von Chorkinder-Bildern der letzten Jahre ist. Ursprünglich war sie von Pastor Zschau angebracht worden, um ein dahinter liegendes Wandgemälde aus Pietät nicht übermalen, es aber andererseits auch nicht ansehen zu müssen. Nun zeugt sie, bilderbestückt, von der Kreativität der Kinder und lädt zuhörende Eltern und müde Chorkinder zum Träumen ein. Auch praktische Fragen tauchen zuweilen auf: „Wer hat die alle gemalt?“ oder „Wie kommst du da oben dran?“. Bei einer Raum- und Pinnwandhöhe von über 3 m keine unberechtigte Frage. „Wusstest Du nicht, dass ich fliegen kann?“ - Je jünger die Kinder, umso länger dauert der kurze Moment des Überlegens, ob das vielleicht stimmen könnte. Ein lächelnder Blick in die Augen klärt alles auf.

Zu Beginn jeder Kika-Probe müssen unbedingt folgende Fragen geklärt werden: Wer darf a) die Solostrophen des Eingangsliedes singen und b) mindestens ebenso wichtig: Wer darf welches „Push-Dur“ verteilen? Die Mutter von Larina (7) schreibt dazu: „Wenn ich Larina und ihre Freundin Josephine abhole, singen beide meistens noch die ganze Rückfahrt zusammen. Dabei riecht es dann im Auto nach Pullmoll. Es ist ein wichtiges Ritual für sie, am Ende der Chorstunde ein Bonbon aussuchen zu dürfen.“

Der Probenablauf entspricht dem der Zwika. Natürlich mit umfangreicheren Einsingübungen, und anderen Liedern und Spielen. Gemäßigte Beifallsstürme, sei es drum, erringen die Einheiten eines von mir zusammengestellten Notenkurses, in dem die Kinder in verschiedenen Lektionen Notenschrift und Vom-Blatt-Singen erlernen. Spätestens als Erwachsener, der dann Noten absingen kann wie andere Leute aus der Zeitung vorlesen, erkennt man den Nutzen solchen Unterrichts.
Besonders für mich als Chorleiterin ist immer der Moment, wenn eine Gruppe zum ersten Mal zweistimmig, später dann sogar drei- , ausbaubar bis zu achtstimmig im Kanon singen kann! Stimme halten will gelernt sein.

Viele unterschiedliche Kinder singen zusammen, mit über fünfzig Grundschulkindern ist die Kika eine große Gemeinschaft. Julius (8) ist besonders sportlich: „Mein Lieblingslied ist „Laudato si“, weil man es schön schnell singen kann. (…) Ganz viele aus meiner Klasse singen mit mir im Chor. Meine Schwester, Cousins und Cousinen haben auch schon im Wohltorfer Chor gesungen. Das gehört einfach in Wohltorf dazu.“

Manchmal geht die Kika auch auf Reisen: dann kommen Kuscheltier und Federmappe in den Koffer, die Begleiteltern verstauen Koffer und Kinder in ihre Autos und los geht’s… meist Richtung Küste. Auf dem Programm dieser Wochenendfreizeiten stehen natürlich ganz viel Singen, aber auch gemeinsam gestaltete Freizeit, sportlich oder kreativ, manchmal auch nur chillig, und vor allem und immer: der Türschildwettbewerb. Damit jeder sieht, wer in welchem Zimmer wohnt und wie die so ticken. Da entstehen tolle Bilder und die Jury steht verzweifelt vor der Frage: Wie sollen wir das überhaupt bewerten?! Trotz zuweilen enttäuschter Gesichter bei der Preisverleihung ist auch den Kindern klar, dass Geschmäcker verschieden und nicht nur beliebte und prämierte Bilder gute Bilder sind. Dass jedes Bild seinen speziellen Reiz, seine Unverkennbarkeit hat. Gut zu wissen.

Die Chorfahrten werden, wenn überhaupt, nur von den ersten szenischen Aufführungen getoppt. Myria (10) mochte z.B. besonders die Proben und Aufführungen des „Wohltorf!-Musicals“. Verkleiden ist einfach klasse! Und erste kleine Solorollen sind aufregend! Manches Kind entdeckt dabei seine Leidenschaft fürs Schauspiel… und kann die dann später in den großen Musical-Projekten der Wohltorfer Kurrende ausleben. „Kurrende“ - was ist das? Davon mehr im nächsten Artikel...